Ein wenig haben wir es vergessen, das Gehen. Oder vielmehr ersetzt. Durch ein Einkaufen gehen, ein Wunschbefriedigen gehen, in ein uns selbst entwerfen gehen über Dinge des Konsums, das uns immer anonymer und gleicher und scheinbar zufriedener macht.
Aber einkaufen können wir jetzt gerade nicht gehen.
So kann mir das Gehen als Gehen wieder einfallen, ich kann meinen Weg irgendwo hinaus in die Natur suchen, wo ich alleine mit mir bin, wo ich mich als selbst entwerfen kann. Im Gehen entwickle  und gliedere ich die Welt um mich herum, ordne sie auf mich zu, werde ihr Zentrum.
Mit jedem Schritt weiter geht es nicht mehr um die passende Hose, um das notwendige Zubehör, um das, was gerade angesagt ist, sondern um meine Gedanken, um meine Utopien, um meine Lebensentwürfe. Gerade jetzt, wo so viele Sicherheiten ins Wanken geraten, kann ich mich in ganz neue, schöne Welten denken.
Schritt vor Schritt vor Schritt
löse ich mich auf in die Uferlosigkeit meiner Gestaltung.
Von mir und meiner Welt um mich.
Auf und davon.
Und da kann man jetzt Peter Handkes " Über die Dörfer" dazu lesen. Empfehlenswert aber länger.
oder auch empfehlenswert aber kürzer ein Textzitat von Rebecca Solnit " Wanderlust - A History of Walking ":


Gehen selbst ist der vorsätzliche Akt, der den unwillkürlichen Rhythmen des Körpers, der Atmung und dem Herzschlag, am nächsten ist. Es ist ein feiner Mittelweg zwischen Arbeit und Müßiggang, zwischen Sein und Tun. Eine körperliche Anstrengung, die nichts als Gedanken, Erfahrungen und Ankünfte produziert ... Idealerweise ist Gehen ein Zustand, in dem der Verstand, der Körper und die Welt miteinander in Einklang stehen, als seien es Figuren, die miteinander kommunizieren, drei Töne, die plötzlich einen Akkord ergeben. Gehen ermöglicht uns, in unserem Körper und in der Welt zu sein, ohne uns mit ihnen beschäftigen zu müssen. Es gibt uns die Freiheit zu denken, ohne uns völlig in unsere Gedanken zu verlieren. Dies macht Gehen vieldeutig und unendlich fruchtbar: es ist sowohl Mittel als auch Zweck, Reise und Ziel.

Und Lust auf Wandern und Gehen in den Zeiten nach der Quarantäne macht auch ein vorgelesenes Wanderbuch aus der Sammlung des Kulturvereines UNICUM:

zur Lesung:
http://www.unikum.ac.at/ade/ADE_KOMPLETTLESUNG_2020/0001_ADE_Lesnung_INDEX_INHALT01.html
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